Noch immer glauben viele Menschen, ein gesundes Herz schlägt gleichmäßig. Mal schneller, mal langsamer, aber immer im gleichen Rhythmus und nur abhängig von körperlicher Anstrengung. Stellt man fest, dass es die Zeitabstände zwischen den einzelnen Schlägen verändert, kann das beunruhigen. Meine kurze Erklärung der Zusammenhänge soll für Entwarnung sorgen.
Ich erinnere mich noch genau an die Reaktion meiner Mutter, als ich ihr das erste Mal über mein Lieblingsthema Herzratenvariabilität (HRV) erzählte. Ich war mitten drin, ihr zu klären, wie die Intervalle zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen mal kürzer und länger sein können, als sie mich unterbrach: “Leide ich dann unter Herzrhythmusstörungen?”. In dem Moment wusste ich zwar, dass sie es nicht tat, aber ich gebe zu, ich konnte es nicht erklären, warum Variabilität eine gesunde Reaktion ist.
Dummerweise benutzte ich damals noch gerne den Begriff unregelmäßig. Vermutlich habe ich einige Menschen damit verschreckt, bis mich in einem Interview ein Kardiologe darauf hinwies, doch lieber von einem variablen Herzschlag zu sprechen und in meinem Fall natürlich auch zu schreiben. Also weg von der Unregelmäßigkeit hin zu Veränderlichkeit und Variabilität. Einige Experten sprechen deswegen vielleicht lieber von Herzfrequenzschwankungen.
Ein variabler Herzschlag hat überhaupt nichts mit einer krankhaften Störung zu tun. Es ist vielmehr eine ganz natürliche Reaktion und ein Zeichen für ein gut funktionierendes vegetatives Nervensystem. Der Unterschied zwischen normalen Schwankungen und einer Erkrankung zeigt sich dadurch, dass Herzrhythmusstörungen, wie beispielsweise Vorhofflimmern oder Extraschläge (Extrasystolen), durch langsames Ein- und Ausatmen nicht beeinflusst werden können.
Je tiefer und bewusster ein- und ausgeatmet wird, umso mehr wird das Herz aus seinem gewöhnlichen Takt gebracht. Bei sechs Atemzügen pro Minute zeigt sich am deutlichsten die Einflussnahme der Atmung auf dem Herzschlag. Übrigens: Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, willentlich das vegetative Nervensystem zu beeinflussen.
In der Medizin werden die atemabhängigen Schwankungen der Herzfrequenz als respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) bezeichnet. “Respiratio” steht für die Atmung, “Sinus” für den Sinuskonten und “Arrhythmie” für die Ungleichmäßigkeit.
Als Einstieg in das Erkennen von krankhaften Herzschlagveränderungen empfehle ich das Buch Der EKG-Knacker (Das Notfall-EKG-Buch) zum Weiterlesen. Es bietet einen guten Überblick und bietet prägnante Darstellungen.
HRV-Therapeuten können mit einem Blick auf das EKG-Signal nicht nur die messtechnische Qualität (z. B. hinsichtlich Artefakten) beurteilen. Möglicherweise gibt es auch Hinweise, dass ein Kardiologe aufgesucht werden sollte.
Hi Nicole, sehr interessanter Artikel, vielen Dank für deine Ausführungen. Kurze Frage, ist es möglich deine Quellen für die wissenschaftliche Verwendung deiner Arbeit offenzulegen?
vielen Dank und beste Grüße
Danke für Dein Interesse, Jakob,
obwohl ich mich sonst immer gerne auf Studienergebnisse beziehe, verwendete ich in diesem Fall keine speziellen wissenschaftlichen Quellen.
Ich bezog mich auf medizinische Grundlagen zur Unterscheidung von Extrasystolen und Vorhofflimmern.
Insbesondere verwendete ich die praxisbezogenen Ausführungen im Kapitel 2.7 des Buchs Der EKG-Knacker (Das Notfall-EKG-Buch). Auch da sind keine Referenzen zu Studienergebnissen angeführt.
Leider kann ich nicht mit mehr Details weiterhelfen.
Freundliche Grüße
Nicole Franke-Gricksch
Mein Vater leidet unter Herzrhythmusstörungen und ich war mit ihm vor kurzem bei einem Arzt, um ein Langzeit-EKG durchführen zu lassen. Das EKG wurde ihm für 24 Stunden angelegt und wir haben auch darum gebeten, dies mit einer Langzeit-Blutdruckmessung zu kombinieren. Er musste seine Aktivitäten in einem Protokoll notieren und dann wurden die Informationen über den Computer ausgelesen. Als Ergebnis konnte man sehen, dass es definitiv eine Herzrhythmusstörung gibt und jetzt werden noch andere Untersuchungen durchgeführt. Es ist gut zu wissen, dass ein variabler Herzschlag überhaupt nichts mit einer krankhaften Störung zu tun hat. Danke für diese Informationen.
Guten Tag,
ich habe gehäufte ventrikuläre Extrasystolen. Bestimmt jede Minute mindestens eine. Ist da die HRV-Angabe einer Sportuhr überhaupt verwertbar?
Guten Tag,
danke für Ihr Interesse.
Ich bin kein Facharzt und kann daher keine medizinisch belastbare Auskunft geben.
Meine Einschätzung ist, dass die Extrasystolen eine brauchbare HRV-Analyse verhindern. Sie sind Störungen (Artefakte) des Herzschlags, die im aufgezeichneten Pulssignal vor der HRV-Analyse bereinigt werden müssten, damit die HRV-Parameter sinnvoll berechnet werden können. Auf diese Anforderung bin ich z. B. im Beitrag Berechnung des HRV-Werts RMSSD eingegangen.
Mit freundlichem Gruß
Nicole Franke-Gricksch
Herzlichen Dank für Ihre Antwort!
Nun, ich dachte mir schon, dass ich leider die Pulsuhr-Angaben nicht verwenden kann und alles andere ist leider vermutlich zu aufwendig. Schade eigentlich! In der Regel gibt es bei mir mehrere ES pro Minute (KHK, St. n. PTCA).
Freundliche Grüsse und einen angenehmen Sonntag!
Beatrice Rüegsegger
Hallo,
danke für diesen sehr interessanten Blog!
Ich habe seit einiger Zeit eine Smartwatch, die nachts die HRV bestimmt und einen Lorenz-Plot erzeugt. Gibt es Literatur, die für den Laien anschaulich die unterschiedlichen Formen der “Datenlinse” mit bestimmten Zuständen/Krankheitsbildern in Zusammenhang bringt?
Danke!
Guten Tag,
danke für Ihre anerkennenden Worte und für Ihre interessante Nachfrage.
Tut mir leid, bislang habe ich dazu leider keine Literaturempfehlung. Die Empfehlung sollte von einem erfahrenen Kardiologen kommen.
Mit freundlichem Gruß
Nicole Franke-Gricksch